Das Neue Testament führt uns in die Entstehungssituation des Christentums, das sich im ersten Jahrhundert im Kontext des antiken Judentums entwickelte. Maßstäbe findet die junge Gemeinde in den Traditionen Israels, so dass auch die Beschäftigung mit diesen Schriften, besonders mit der Septuaginta grundlegend zum Fach gehört.
Das Fach Neues Testament behandelt die neutestamentlichen Schriften in ihrer gesamten Breite. Es untersucht die Jesus-Traditionen in den vier Evangelien, Erzählungen aus der Anfangszeit der Gemeinden, die Briefe des Paulus und weitere Literatur wie die Offenbarung des Johannes: Schriften, die vom Vertrauen auf den einen Gott Israels und dem von ihm gesandten Messias Jesus erzählen, von Hoffnung und Schrecken, von Ängsten und Heilwerden, aber auch von Konflikten und Auseinandersetzungen untereinander im Ringen um den richtigen Weg. Es sind Schriften, die trösten und Mut machen wollen in einer Zeit, die von der Herrschaft des römischen Reiches geprägt war, von Kriegen, Gewalt und Armut.
Im Fach Neues Testament wird gefragt, wie und unter welchen Bedingungen diese Texte entstanden sind und mit welchen Methoden sie erschlossen werden können. Grundlegend führt hier das neutestamentliche Proseminar ein. Das Fach vermittelt weitere Grundkenntnisse, dazu gehören Griechisch, Bibelkunde sowie neutestamentliche Zeit- und Religionsgeschichte. Die neutestamentlichen Schriften sind nur in ihrem sozialen, politischen, kulturellen und religiösen Kontext zu interpretieren. Das geschieht unter Einbeziehung antiker Quellen, archäologischer Befunde sowie frühjüdischer und frühchristlicher Texte. In Seminaren und Vorlesungen wird dieses Wissen exemplarisch an einzelnen neutestamentlichen Schriften und übergreifenden Themenzusammenhängen vertieft.
Die Schriften des Ersten und des Neuen Testaments werden bis heute in den christlichen Kirchen als Grundlage ihrer theologischen Urteilsbildung und Praxis verstanden. Neutestamentliche Wissenschaft beschäftigt sich deshalb nicht nur mit dem historischen Kontext der Schriften, sondern immer auch mit der Gegenwart. Sie fragt danach, wie wir heute die Texte verstehen können, mit welcher Hermeneutik, d.h. mit welcher „Brille“ wir sie lesen. Gerechtigkeit ist der rote Faden, der sich durch die biblischen Schriften zieht. Heute stehen wir vor der Herausforderung, ihm weiter durch unseren Alltag zu folgen. Welche Bedeutung hat es für uns, das Neue Testament zu lesen? Wozu fordert mich die Lektüre heraus? Wie buchstabiere ich Gerechtigkeit in meinem Leben? Diese Fragen gehören zum Studium des Neuen Testaments ebenso dazu wie der Erwerb des exegetischen Handwerkszeugs.
Professorin für Neues Testament und Theologische Geschlechterforschung